Topvermögensverwalter und ihre Gastgeber vom Finanzen Verlag am 11. März 2020 über den Dächern Münchens
(von links): Dieter Fischer, Finanzen Verlag; Frank Walter, Perspektive Asset-Management; Rolf Kieckebusch, Kirix Vermögensverwaltung; Gabriele Hartmann, Perspektive Asset-Management; Klaus Hinkel, Hinkel & Cie. Vermögensverwaltung; Martin Garske, apano Investments; Dr. Frank-B. Werner, Finanzen Verlag
Die Stunde der aktiven Manager
präsentiert von HANSAINVEST
Vor einem Jahr startete €uro am Sonntag das Projekt „VermögensverwalterEXTRA“. Zwölf führende unabhängige Vermögensverwalter wurden begleitet, um ihre Leistungen und Fonds für potenzielle Anleger transparent und greifbar zu machen.
Das Projekt geht weiter. Doch jetzt ist Zeit für eine Zwischenbilanz. Die Porträts und Produkte der Teilnehmer finden Sie online auf
www.boerse-online.de, Bereich „Vermögen“
Vermögensverwalter haben in diesen Wochen noch mehr zu tun als üblich. In Zeiten der Corona-Krise stellen Anleger viele Fragen, die ihnen sonst niemand beantworten kann. Vier der besten Vermögensverwalter im Land kamen trotz erschwerter Anreise zum €uroam-Sonntag-Round-Table im Haus des Finanzen Verlags in der Münchner Bayerstraße. Dort empfing sie Moderator und Geschäftsführer Frank-B. Werner.
Werner: Gehen wir von der Hypothese aus, dass der Corona-Schock in drei Monaten einigermaßen überwunden ist. Wird das an den Börsen dann ein V oder ein U oder …
Kieckebusch: Die Erholung wird ein gezacktes U werden. Wir rechnen erst mittelfristig, also nicht vor dem dritten Quartal, mit einem allmählichen Wiederanstieg der Kurse. Bis dahin erleben wir noch eine Zeitlang Kurseinbrüche.
Garske: Derzeit sieht es so aus, dass der Lockdown noch mindestens bis in den Mai reicht. Sobald der Peak der Erkrankungen durch das Coronavirus überschritten ist, besteht die Chance auf eine Supererholung. Die Aktien haben eine vernünftige Bewertung, die Zinsen sind niedrig, es wird umfangreiche staatliche Konjunkturhilfen geben: Daraus könnte eine Mega-Börsenrally werden.
Walter: Das ist mir zu optimistisch. Es wird in diesem Jahr weder ein V noch ein U geben. Positiv sehen wir, dass die vielen Zombieunternehmen, die kaum liquide sind, vom Markt verschwinden dürften. Andererseits könnte es bedrohlich werden, wenn eine größere Bank oder eine große Versicherung gerettet werden müsste oder vom Markt verschwinden sollte.
Hinkel: Das wahrscheinlichste Szenario ist ein W, wobei der dritte Schenkel des W nicht mehr so tief hinunterreichen wird wie die erste Korrektur. Nach ersten Signalen der Beherrschbarkeit des Virus dürfte eine starke Erholung eintreten.
Werner: Hat die Talfahrt an den Börsen nur mit Corona zu tun?
Hartmann: Nein, nicht nur. Im Januar gingen noch alle davon aus, 2020 werde ein sehr positives Börsenjahr. Im Nachhinein stellt sich nun heraus, dass viele den Aktienmarkt für stark überbewertet halten.
Werner: Sind Aktien für Anleger, die auf regelmäßige Dividendeneinnahmen zielen, im Moment das Richtige?
Wallrich: Angesichts der Crashkurse sollten Aktien sogar übergewichtet werden. Anleger, die in Aktien investiert sind und herbe Verluste verzeichnen, sollten die günstigen Kurse zum Rebalancing nutzen. Im Idealfall gehen sie dabei in Technologiewerte, Stichwort: Digitalisierung.
Hartmann: Digitalisierungstitel, absolut. Aktien bleiben schon aus Gründen der Risikostreuung ein Muss. Auch Dividendentitel. Basiskonsumgüter brauchen wir weiterhin, ebenso Infrastruktur.
Garske: Insbesondere jüngere Menschen mit entsprechend langem Zeithorizont sollten das derzeit niedrige Einstiegsniveau nutzen.
Werner: Verzeichnen Sie hohe Rückflüsse Ihrer Kunden, oder sind die Leute cool und bleiben investiert?
Hinkel: Da wir durch die Beimischung von nicht korrelierenden Assetklassen recht ordentlich durch die Kapitalmarktverwerfungen gekommen sind, sind unsere Kunden positiv überrascht. Allerdings gibt es hinsichtlich Aktien eine große Zurückhaltung. Wer jetzt schon kaufen möchte, wäre gut beraten, ausgeprägtes Stockpicking zu betreiben − vor allem in Branchen, die nicht so sehr von Corona infiziert sind.
Walter: Wir verzeichnen deutlich mehr Nettozu- als -abflüsse. Das ist auch mit Blick auf die Börsenhistorie ganz sinnvoll, denn die Basis für exzellente Renditen wurde stets in Krisenzeiten gelegt. Diese Nerven müssen Anleger haben, sonst sind Aktien nicht das Richtige für sie.
Werner: Sind Hochzinsanleihen eine Anlageklasse, auf die Investoren verstärkt setzen sollten?
Hinkel: Auf jeden Fall. Rein in den bonitätsmäßig starken Mittelstand. Ein Vierer- oder Fünferkupon ist allemal besser als keine Zinsen.
Garske: High-Yield-Anleihen sollten Anleger im Moment höchstens anfassen, wenn sie das in einem Korb mit verschiedenen Anleihen dieses Typs tun, also besser einen entsprechenden Fonds wählen. Dann schlägt eine mögliche Einzelpleite nicht so durch.
Werner: Vor Corona gab es kaum eine Konferenz ohne das Stichwort Nachhaltigkeit, also ESG ( = Environment, Social und Governance). Im Moment ist dieses Thema allerdings völlig im Hintergrund. Kommt das wieder?
Hartmann: In sechs Monaten reden wir hoffentlich kaum noch über das Coronavirus. Dann rückt der Klimawandel wieder in den Vordergrund und damit die Frage, wie wir Ökologie und unseren Lifestyle in Einklang bringen können. Da spielen erneuerbare Energien eine entscheidende Rolle.
Kieckebusch: Vor allem das Thema Ökologie, also das E bei ESG, wird weiter an Bedeutung gewinnen. Etwa bei der Kreditvergabe. Da fragen die Banken, ob die Umweltrisiken einer Firma eingepreist sind. Und Anleger interessieren sich vermehrt für den Nachhaltigkeitsindex DAX 50-ESG.
Garske: Insbesondere jüngere Menschen mit entsprechend langem Zeithorizont sollten das derzeit niedrige Einstiegsniveau nutzen.
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